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Aus Dieter E. Zimmer: Hühner – Tiere oder Eiweißmaschinen?

Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1983

Kapitel "Huhn und Ei 42 Fragen und Antworten"

 

Zum kontroversen Thema "Käfighaltung von Legehennen", das zu diesem Buch geführt hat, siehe mein ZEIT-Dossier

»Ich wollt', ich wär kein Huhn

(Nr.15, 9.April 1982, S.9-12)

 

 

 

Warum heißt das Huhn Huhn

und das Ei Ei?

«Huhn» ist das im Althochdeutschen mit einem Ablaut gebildete Neutrum zu «Hahn»; eine parallele Bildung war «das Schwun» zu «der Schwan» — sie hat sich nicht erhalten. «Hahn» wiederum geht auf eine verbreitete indogermanische Stammsilbe zurück, die die Bedeutung «Singen, Gesang» hatte und in vielen Sprachen der indogermanischen Gruppe erhalten ist — so im italienischen «cantare» und im spanischen «cantar» (singen, krähen, gackern), im französischen «chanson» (Lied) oder deutschen Wörtern wie «Kantate», «Kantilene», «Kantor». Der «Hahn» ist also eigentlich der «Sänger» — denn das Auffälligste an ihm war der morgendliche Weckruf, mit dem er kurz vor Sonnenaufgang den Artgenossen seinen Standort bekanntgibt. So zeitig erwacht er vermutlich, weil er empfindlich ist für die dem Sonnenaufgang vorausgehende Infrarotstrahlung, die der Mensch nicht wahrnimmt. «Henne» ist eine westgermanische weibliche Umlautbildung zu «Hahn», etwa «Hähnin».

    Das «Ei» muß auf eine sehr alte indogermanische Wurzel zurückgehen, die etwa «awei» gelautet haben könnte. Aus ihr sind in manchen Sprachen die Bezeichnungen für den Vogel entstanden, so lateinisch «avis». Doch auch die Sprachwissenschaft hat die alte Frage nicht klären können: Es «läßt sich nicht entscheiden, ob der Vogel als ‚Eiertier‘ benannt ist oder das Ei als ‚das von dem Vogel Gelegte‘» (Kluge/Götze).

 

Wie und wann und wo

wurde das Huhn zum Nutztier?

Als die wichtigste freilebende Stammform des Haushuhns wird das Bankivahuhn (Gallus gallus) angesehen. Es war und ist in Südostasien verbreitet: von den Südhängen des Himalaya über Nordostindien und Hinterindien bis auf die indonesischen Inseln. Das Bankivahuhn ist verhältnismäßig klein — so groß wie heutige Zwergrassen. Es ist braun, mit beim Hahn gelb gespitzten und bei der Henne gelb gesäumten Halsfedern. Die Henne legt im Jahr sechs bis zwölf gelbschalige Eier, so viele, wie es auf einmal bebrüten kann. Bankivahühner sind mit den Zuchtrassen des Haushuhns unbegrenzt fruchtbar —  ein sicherer Hinweis darauf, daß die Zuchtformen den Urhühnern relativ nah geblieben sind. Sie leben in kleinen Haremsgruppen von 5 bis 12 Tieren scheu und zurückgezogen im Unterholz des Waldes, aber doch gerne in der Nähe menschlicher Siedlungen, und nähren sich von Körnern, Knospen, Insekten, Larven und Würmern, nach denen sie scharren und picken.

    Aufgefallen sein dürfte das Huhn dem Menschen zuerst durch den regelmäßigen morgendlichen Weckruf des Hahns. Gehalten wurde es vermutlich zuerst als Schlachttier und zu Schaukämpfen, später erst als Eierlieferant.

    Man nimmt an, daß die Domestikation vor etwa 5000 Jahren in Indien begann. Von Indien aus gelangte das Haushuhn in den Osten — nach China, in die Mongolei und nach Japan — und vor etwa dreieinhalbtausend Jahren über Persien in das Zweistromland und weiter nach Ägypten, wo seine Eier in einem Vorläufer des Brutschranks ausgebrütet wurden, und über Kleinasien vor etwa zweieinhalbtausend Jahren nach Griechenland und weiter nach Rom. In Nordeuropa hatten die Kelten das Haushuhn schon in vorchristlicher Zeit; im frühen Mittelalter war das Huhn schließlich in ganz Europa verbreitet. Von hieraus gelangte es im 16. Jahrhundert auch nach Amerika.

    In einigen alten vorderasiatischen Kulturen war das Huhn als Verkünder des Tags und Symbol des Lichts ein heiliges Tier. In der abendländischen Mythologie ist der Hahn Symbol für Christus und für die Feuersbrunst.

    Das Haushuhn wurde zunächst in drei Haupttypen gezüchtet: den mittelgroßen Landhühnern von 1,5 bis 3,5 Kilo Gewicht, die vor allem als Legehühner gehalten wurden; dem ebenfalls mittelgroßen Cochintyp mit befiederten Läufen und bogig nach oben geschwungenem Rücken; und dem hochgereckten, kurzbefiederten Malaientyp mit abschüssigem Rücken, dessen Hähne für Kämpfe gezüchtet wurden und werden. Die meisten Nutzhuhnrassen sind Kreuzungen von Landhühnern mit Cochins.

    Für die Züchtung der heutigen Hybridlinien, denen ein Maximum an Leistung abverlangt wird, wurden von den zahllosen Rassen des Haushuhns bei den Legehennen vor allem Leghorn, Rhodeländer, Hampshire und Sussex verwendet, bei den Mastküken Cornish und White Rocks.

 

Warum sind manche Eier weiß, andere braun?

Die Farbe des Eis hängt allein von der Hühnerrasse ab, von der es stammt; bei manchen Rassen werden die Eischalen während der letzten fünf Stunden ihres Aufenthalts im Uterus braun pigmentiert. Die meisten weißen Eier stammen von weißen Leghorn-Hennen, die meisten braunen von braunen (zum Beispiel den mittelschweren Warren-Hennen); aber es gibt auch braun legende weiße Rassen und weiß legende braune.

    In Geschmack und Nährwert unterscheiden sich weiße und braune Eier nicht. Keine Farbe ist die «natürlichere» und gesündere. Im Durchschnitt aber sind die braunen Schalen etwas stärker und härter. Die Hälfte der Verbraucher bevorzugt weiße, die andere Hälfte braune Eier.

    Die Urahnen des Haushuhns, die Bankiva-Hennen Ostasiens, haben gelbbraune Eier gelegt, gefärbt wie herbstliches Eichenlaub. Diese Tönung ist in der Natur weniger auffällig und bietet somit eine größere Sicherheit vor Nesträubern. Die weiße wie die braune Farbe sind Zuchtergebnisse. Schon in den frühen Stadien der Domestikation haben die Halter ihre Hühner entweder auf die weiße oder auf die braune Eifarbe hin gezüchtet, indem sie immer nur die jeweils hellsten oder die braunsten Eier ausbrüten ließen.

 

Woran erkennt man, wie frisch ein Ei ist?

Der Geschmack eines Eies verrät nichts über die Haltungsform, aus der es stammt. Am Geschmack läßt sich überhaupt nur eines zuverlässig und sicher unterscheiden: die Frische eines Eies. Wie alt der Inhalt einer Eierpackung ist, läßt sich dem Aufdruck entnehmen. Wer garantiert frische Eier haben will, kann sie nur direkt bei einem Hühnerhalter kaufen, den er kennt und von dem er weiß, daß er ihm keine anderen als gerade gelegte Eier anbietet.

    Außer der chemischen Untersuchung gibt es einige ganz verläßliche Methoden, die Frische eines Eies zu bestimmen.

    Am stumpfen Pol des Eies befindet sich eine Luftkammer. Sie entsteht erst, wenn das Ei gelegt ist, und zwar dadurch, daß Wasser aus dem Inneren verdunstet. Die Eimasse schrumpft, und was dem Ei an Masse verlorengeht, wird durch Luft ersetzt. Je älter das Ei, um so größer die Luftkammer. Wird das Ei warm und trocken aufbewahrt, so wächst die Luftkammer schneller als bei einer Aufbewahrung bei kühleren Temperaturen und höherer Luftfeuchtigkeit. Die Luftkammer gibt dem Ei im Wasser Auftrieb, um so stärkeren, je größer sie ist. Darauf beruht die Wasserprobe. Legt man ein sogenanntes nestfrisches, nämlich nicht mehr als vier Tage altes Ei in kaltes Wasser, so legt es sich flach auf den Boden. Dehnt sich in den nächsten Tagen die Luftkammer weiter aus, so richtet es sich langsam auf und steht schließlich nach etwa zwei Wochen auf dem spitzen Pol. Danach beginnt es zu schwimmen, und nach drei bis vier Wochen schwimmt es, stumpfes Ende oben, an der Wasseroberfläche.

    Auch an der Beschaffenheit des Eiinhalts läßt sich die Frische ablesen. Schlägt man ein frisches Ei auf, so bildet der Dotter eine hochstehende Kugel, und der zähe Teil des Eiklars bildet einen festen, gallertartigen Ring darum. Je älter das Ei wird, desto flacher wird der Dotter und desto flüssiger das Eiklar. Nach drei Wochen ist der Dotter flach und das Eiklar wässerig. Eier minderer Qualität zerlaufen auch schon auf diese Weise, wenn sie noch ganz frisch sind.

    Bei einem gekochten nestfrischen, also unter vier Tage alten Ei läßt sich, auch wenn es abgeschreckt ist, die Schale kaum von der darunter befindlichen Schalenmembran lösen. Es braucht eine Minute Kochzeit mehr und schmeckt etwas fade. Nach zwei bis drei Wochen hat das Eiklar soviel von seiner Spannkraft verloren, daß es sich nur noch schwer zu Eischnee schlagen läßt. Für alle Zwecke frisch sind Eier also vierzehn Tage lang; bei kühler Aufbewahrung (7 bis 12 Grad) und in normaler Luftfeuchtigkeit bleiben sie es drei Wochen lang. Danach sind sie für andere Zwecke noch eine Weile brauchbar (für Omeletts etwa oder zum Backen).

 

Warum läßt sich Eiklar

manchmal nicht zu Schnee schlagen?

Eischnee entsteht nicht, wenn das Eiklar zu wässerig ist, also bei zu alten Eiern. Für Eischnee zu alt sind Eier nach zwei bis drei Wochen, je nachdem, wie kühl und feucht sie aufbewahrt wurden. Zum andern wird der Eischnee nicht fest, wenn Fettspuren in das Eiklar gelangen — also wenn der Schneeschläger oder die Schüssel nicht völlig fettfrei sind oder wenn auch nur geringe Spuren des fetthaltigen Eidotters in das Eiklar geraten.

 

Warum ist im weichgekochten Ei nicht auch

das Weiße noch weich?

Eigelb und Eiklar «stocken», das heißt gerinnen und erstarren, bei verschiedenen Temperaturen: Eiklar bei 60 Grad, Eigelb erst bei 65 Grad. Ist das Ei gerade soweit erhitzt, daß das Eiklar weiß und fest wird, so ist das Eigelb noch nicht verfestigt.

 

Warum sind Drei-Minuten-Eier manchmal

noch flüssig?

Weil ihr Koch oder ihre Köchin falsch gezählt hat. Ein weichgekochtes Frühstücksei erhält man nicht, wenn man ein Ei aus dem Kühlschrank nimmt und drei Minuten lang in kochendes Wasser legt. Vielmehr legt man das Ei aus dem Kühlschrank in kaltes Wasser, erhitzt dieses, und erst sobald es siedet, beginnt man drei Minuten abzuzählen. Bei einem so gekochten Drei-Minuten-Ei («Ei im Glas») ist das Eiklar fest und der Dotter noch flüssig. Eine Minute später beginnt auch der Dotter von außen her zu gerinnen (weiche oder «lächelnde» Eier). Nach sechs bis acht Minuten sind Eiklar und Eidotter fest. Nestfrische, also unter vier Tage alte Eier brauchen eine Minute länger. Legt man Eier aus dem Kühlschrank direkt ins kochende Wasser, so brauchen flüssige Eier 5 Minuten, weiche Eier 7 Minuten und harte Eier 10 Minuten Kochzeit. Kalt aufgesetzt, platzen Eier beim Kochen übrigens nicht so leicht.

 

An welchem Ende

wird das gekochte Ei aufgeschlagen?

Jonathan Swift hat über diese Frage einen Krieg ausbrechen lassen, den Glaubenskrieg zwischen den Reichen Lilliput und Blefuscu. Deren heilige Schrift hatte das «geeignete Ende» empfohlen, und alle Lilliputaner hatten darunter immer das dicke Ende verstanden, bis der Königsohn sich dabei verletzte und eine Reform angeordnet wurde, die das spitze Ende vorschrieb und die Dick-Ender in den Bann tat. Die Frage ließe sich heute vielleicht so entscheiden: Wer sein Frühstücksei mit dem Messer aufschneidet, tut es besser am spitzen Pol. Wer es aufpickt, tut es am stumpfen, unter dem sich die Luftkammer befindet.

    Wahr ist und bleibt aber der Ratschlag: Es sollte das geeignete Ende sein.

 

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